Dienstag, 7. Februar 2012

Was macht guten Inhalt aus? Relevanz


Eine Frau ist in ihrem Haus. Plötzlich kracht ein Geländewagen in das Zimmer, in dem sie steht. Das Auto erfasst sie voll und schleudert sie samt den Möbeln quer durch ihr eigenes Haus in den Garten. Die Frau stirbt. Der Mann am Steuer des SUV hingegen wacht nicht einmal auf. Heute hat ihn ein Gericht des Mordes mithilfe eines Fahrzeugs schuldig gesprochen.
Was für eine (tragische) Geschichte. Und was für ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse! Titel wie «Schlafender Mann ermordet Frau» oder «Mordwaffe SUV» ziehen doch die Leserschaft an wie das Licht die Motten. Dennoch ist uns Schweizern diese Geschichte völlig egal. Denn das Ereignis passierte in Des Moines, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Iowa.
Ein guter Inhalt muss für uns relevant sein. Anders herum formuliert: Wir müssen einen Bezug zur Handlung herstellen können. Etwas passiert gerade jetzt und gerade hier. Die Geschichte ist völlig überraschend beziehungsweise ungewöhnlich oder sehr kontrovers. Oder aber anderen widerfährt etwas, das auch mir hätte passieren können / sollen / dürfen. Und: je prominenter der Protagonist der Story ist, desto besser.
Guter Inhalt spricht mich an. Guter Inhalt lässt mich nicht kalt. Guter Inhalt packt mich emotional. 

Mittwoch, 18. Januar 2012

Was macht guten Inhalt aus? Echtheit


In einem Interview mit persoenlich.com, dem Online-Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft, erklärt Moderator und Hochschuldozent Hugo Bigi: «Der Journalismus braucht mehr Echtheit statt Echtzeit.» Sehr schön und sehr richtig gesagt. Das höchste Gut ist die Wahrhaftigkeit. Sich auf den Inhalt verlassen zu können, ist von unschätzbarem Wert.
Hugo Bigi fährt fort: «Den Primeur zu haben sollte heutzutage nicht mehr das Wichtigste sein, sondern dass die Information stimmt.» Heutzutage? Natürlich hat die Geschwindigkeit in diesen Zeiten des «Smartphone»-Journalismus massiv zugenommen. In der Abwägung von Geschwindigkeit zu Wahrhaftigkeit war es aber immer schon so, dass die Richtigkeit der Inhalte mehr Gewicht hatte.
Von meinem Journalismus-Studium an der S.I. Newhouse School of Public Communications der Syracuse University im US-Bundesstaat New York sind mir nicht viele konkrete Aussagen geblieben. Ein von meinem Professor für Zeitungsjournalismus häufig verwendetes Zitat ist mir aber unvergesslich: «Get it first, but first, get it right!» Das war 1987…
Echtheit schafft Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit schafft Vertrauen. Vertrauen darin ist die Krönung guten Inhalts.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Alles ist nichts ohne Inhalt

«Wie zeigen wir unseren Kolleginnen und Kollegen die Bedeutung des guten Inhalts auf?» Diese Frage beschäftigte uns schon vor 11 Jahren. An einer internen Veranstaltung der UBS wollten wir die Qualität der Inhalte auf der Website fördern. Zunutze machten wir uns die süsseste Versuchung, die Zürich zu bieten hat: die Luxemburgerli.
Wir besorgten uns einige Schachteln gefüllt mit den feinsten dieser Makrönchen, entfernten sie aus der Verpackung und steckten sie in gewöhnliche Böxli. Dann mischten wir uns unter die Gäste und boten ihnen schlichte Böxli oder Sprüngli-Schachteln an. Alle schnappten sich sofort die Schachteln – und konnten ihre Enttäuschung nicht verbergen: der Inhalt fehlte! Wo waren die Luxemburgerli?
Ohne den Inhalt ist alles nichts. Schlimmer noch: ohne den richtigen Inhalt ist selbst die schönste Hülle nur eine Mogelpackung. Der Fokus sollte – diese Botschaft kam klar und deutlich an – auf dem Inhalt sein. Die Form unterstützt den Inhalt, aber sie ersetzt ihn nie.
Der Inhalt hingegen findet seinen Weg zum Kunden ungeachtet der Verpackung. Denn es sprach sich schnell herum, man müsse unbedingt das gewöhnliche Böxli annehmen und nicht auf der Sprüngli-Schachtel bestehen...

Donnerstag, 27. Januar 2011

Storytelling bewegt auch am WEF

Es ist Ende Januar, Zeit für das jährliche Gipfel-WEFfen in Davos. Reihum wird über den Wert dieses Stelldicheins der globalen Elite diskutiert. Die Verschwendung von Geld, Zeit und Energie wird dabei ebenso angeprangert wie der Schutz der Veranstaltungsteilnehmer. Das Bild der «Festung Davos» wird von den Medien nur zu gerne bedient und von der versammelten Online-Gemeinde meist hämisch kommentiert.

Über die mittlerweile sehr gut zugänglichen Inhalte des offiziellen Programms am World Economic Forum wird hingegen nicht debattiert. Das ist unbegreiflich. Denn alleine schon die Eröffnungsdiskussion bot ein wahres Feuerwerk an Denkanstössen. Beispielsweise würde es sich lohnen, über die Herausforderungen eines global einheitlichen Wirtschaftskurses angesichts regional sehr unterschiedlicher Demografien zu diskutieren. Oder über die Folgen nachzudenken, wenn die Alterserwartung in China dank des neuen Wohlstands dramatisch ansteigt, das Land aber keine (in der Schweiz längst etablierte) Alters- und Hinterbliebenenversicherung AHV einrichtet – oder einrichten will / kann.

Einfach zu verfolgen war die Diskussion allerdings nicht, weil sich die Teilnehmer fast ausschliesslich auf der abstrakten Ebene der Statistiken und Prognosen bewegten. Eine erfrischende Ausnahme bildete da Azim Premji, der Präsident des indischen IT-Konzerns Wipro. Er beantwortete die Frage, ob die Entwicklungsländer nicht genug hätten vom belehrenden Westen, der selbst mit riesigen Problemen zu kämpfen habe, mit einer Geschichte:

Ford wollte gemäss Premji einen Mittelklassewagen in Indien einführen, der die aufstrebende Mittelschicht ansprechen sollte. Um den Preis marktgerecht zu gestalten, musste Ford dazu gewisse in den USA serienmässig vorhandene Funktionen entfernen. Unter anderem bauten sie dazu die elektrischen Fensterheber für die hinteren Seitenfenster aus – und machten dadurch das Auto zu einem Flop. Denn wer in Indien zur Mittelschicht gehört, stellt einen Fahrer an und setzt sich selbst auf den Rücksitz. Die elektrischen Fensterheber hätten daher hinten belassen und vorne entfernt werden müssen…

Premji bediente sich damit des Storytelling, um die kulturelle Ignoranz und geschäftliche Arroganz des Westens zu illustrieren. Das gefällt!

Dienstag, 18. Januar 2011

Spektakulärer Perspektivenwechsel

Über einen Eishockeymatch kann man so oder so berichten. Die Mehrheit der interessierten Bevölkerung nahm das Spiel HC Davos gegen SC Bern wahrscheinlich so zur Kenntnis:
Der HC Davos prügelt den SCB 6:2 aus der Halle! Der blendend aufgelegte HCD sorgt noch vor Spielhälfte mit vier Toren innerhalb von 5:40 Minuten zum 5:1 für die Vorentscheidung; das 2:1 von Peter Guggisberg und das 3:1 von Petr Sykora, der bereits das 1:0 (9.) erzielt, fallen in der 24. Minute innerhalb von 12 Sekunden. – Blick
Fast 6'000 Zuschauer verfolgten das Spiel am Sonntag, 16. Januar 2011 in der Vaillant-Arena in Davos. Die Supporter des HCD verfielen ob der Dominanz des Heimteams teilweise in einen euphorischen Torjubel.

Aber nur 20 Zuschauer erlebten das Spiel wirklich mit. Sie hatten Sitzplätze direkt an der Bande, nur eine Plexiglasscheibe weg vom knallharten Geschehen. Hier geht die Übersicht verloren, die man von den oberen Rängen aus geniesst. Dafür gewinnt man an Intensität – und wie! Ein Puck, der via Bande gespielt wird, mutiert vom kleinen schwarzen Spielgerät zu einem bedrohlichen Geschoss. Ein Bodycheck an der Bande ist nicht mehr ein rein visuelles Ereignis, sondern ein sinnbetäubendes Erdbeben: die Plexiglasscheiben schwanken hin und her, die Spielerkörper prallen an die Bande, es tönt, wie wenn ein Sandsack aus dem Lastwagen gekippt wird, der Hockeystock peitscht ans Plexiglas, der Schreck fährt einem in die Glieder, die Orientierung geht völlig verloren. Sekunden später hat sich das Spielgeschehen schon weit weg verlagert und die Sicht ist wieder frei auf Sportler, die plötzlich an Gladiatoren erinnern.

Was ein Perspektivenwechsel alles bewirken kann...

Dienstag, 21. Dezember 2010

Ein poetischer Augenblick

Es gibt sie, diese Zufälle, die aus einer alltäglichen Situation einen poetischen Augenblick entstehen lassen. So geschehen Mitte Dezember, am Tag des grossen Schneefalls im Grossraum Zürich. Der Zug fuhr zwar mit Verspätung, aber doch zuverlässig nach Rapperswil. Mit dem Finger am Auslöser der Canon S95 war der Blick in die Landschaft bewusster und irgendwie intensiver. Entlang des Rebbergs faszinierte besonders die Absenz der Farben. Also knipste ich. Danach suchte ich den Text zum Bild. Herausgekommen sind zwei Gedankensplitter:

Nur ein Schatten
Flocken und Tropfen. Kälte und Nässe. Gräulich statt farbig. Ein Schattenmann steht neben dem Bahngleis. Warum spaziert er durch diese Tristesse? Ist er zum Vergnügen dort draussen? Oder ist das sein verfluchter Arbeitsweg? Der Zugwind schüttelt ihn erbarmungslos durch. Nur der Regenschirm bietet etwas Schutz. Der Schnee knirscht. Die Tropfen trommeln. Es ist Vorweihnachtszeit.

Den Moment geniessen
Es schneit und schneit und schneit. Die Erde zieht ihr Sonntagskleid an. Darunter versteckt sich alles: Strassen, Häuser, ganze Rebberge. Wie anders alles aussieht! Jetzt hinaus, den Moment geniessen, die Elemente spüren, den Schnee unter den Füssen, die Flocken im Gesicht. Ein Zug braust vorbei und erinnert für einen kurzen Augenblick an den Alltag.

Freitag, 3. Dezember 2010

WM-Wahlen und andere Fehlleistungen (mit einer Ausnahme)

Die Berichterstattung über die Vergabe der Fussballweltmeisterschaften 2018 und 2022 glich zeitweise einem Sonderprogramm aus Absurdistan. Mehrere Sendungen des Schweizer Fernsehens (und unzählige Schweizer Onlinegefässe) zelebrierten beispielsweise einen «Publicity-Stunt» von David Beckham*, der in Oerlikon eine Turnstunde mit seiner Anwesenheit «pimpte». Informationswert? Null! Herzige Story? Na, ja, gerade noch...

Oder sie zeigten den sehr ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton beim Spaziergang durch Zürich. Nachrichtengehalt? Doppelnull! Als Story sogar Unternull, weil absolut inhaltsleer!

Den Vogel schossen aber die Mitglieder des Exekutivrats der FIFA mit ihrer Wahl von Katar als Gastgeber der WM 2022 ab. Ein Land, das kleiner als der Kanton Zürich ist, wirft 3 Mrd. Dollar auf und knallt dafür mal schnell 12 Fussballstadien hin, nur um sie danach an Entwicklungsländer zu verschenken...

Was die wohl damit anfangen? Sicher keine Fussball-Tradition. Auf der Maslow'schen Bedürfnispyramide jedenfalls kommt der Sport sicher nach den körperlichen Existenzbedürfnissen und der Sicherheit (ausser natürlich der Potentat eines solchen Landes hält sich zum Pläsierchen ein paar Fussball-Tierchen, damit er auch mal FIFA-Exekutivmitglied wird).

Trotzdem gibt es  Grund zur Freude: "Alle Stadien, Trainingsstätten und Fanzonen werden auf 27 Grad Celsius klimatisiert sein", sagte Hassan Al-Thawadi, der Chef der WM-Bewerbung Katars. Wenigstens ein weiser Entscheid in dieser himmelschreienden Posse!

* Eine unerwartete Frage an ebendiesen David Beckham verhalf einer Radio 24 Praktikantin zu den ihr zustehenden 15 Minuten Ruhm. Das ist eine schöne Fussnote, finde ich.